Das unsichtbare Drehbuch

Wie Bilder Geschichten erzählen

Seit jeher erzählen sich Menschen Geschichten – ob mündlich von Generation zu Generation weitergegeben, in Büchern niedergeschrieben oder in Form von Malereien an Höhlenwände gemalt. In der Fotografie hat diese Kunst einen eigenen Namen: Photo Storytelling.

Es ist die Kunst, Geschichten allein durch Bilder zu erzählen. Dabei geht es darum, nicht nur einen flüchtigen Moment einzufangen, sondern eine ganze Welt aus Emotionen, Atmosphäre und Bedeutung zu vermitteln. Ziel ist es, dass der Betrachter eine Verbindung zum Bild aufbaut und die Geschichte nachempfinden kann. Der wahre Schlüssel dazu liegt aber nicht im Zeigen, sondern im Weglassen. Es geht um Andeutung, nicht um Erklärung.

Eine gute Fotogeschichte erzählt nicht alles aus, sondern lässt bewusst Lücken. Sie gibt dem Betrachter gerade genug Informationen, um die Fantasie anzuregen und die Leerstellen selbst zu füllen. Durch dieses gezielte Auslassen wird das Gehirn des Betrachters zum aktiven Mit-Erzähler, der die Punkte zwischen den einzelnen Bildern verbindet.

In letzter Zeit finde ich immer mehr Gefallen daran, solche kleinen Fotogeschichten zu erproben. Oft sind es nur Kleinigkeiten aus dem Alltag, wie das Backen eines Kuchens oder ein Bastelnachmittag mit meinem Sohn. Ich versuche dann, die einzelnen Schritte und die dabei entstehende Stimmung in einer Bildfolge festzuhalten.

Für den heutigen Beitrag habe ich eine kleine Fotoserie dabei, die letztes Jahr in der Morgendämmerung am Zeller See entstanden ist. Tatsächlich war sie gar nicht als durchgehende Geschichte geplant. Mein ursprünglicher Gedanke war, einfach nur diesen Fischer bei seinem täglichen, fast meditativen Ritual zu beobachten und abzubilden. Doch beim Sichten der Bilder wurde mir klar, dass sich ganz von allein eine Geschichte entfaltet hatte.

Und genau darum geht es doch letztendlich: Mithilfe von Bildern eine kleine, leise Geschichte zu erzählen – manchmal geplant, und manchmal findet sie einen ganz von allein.

„In jedem Bild gibt es immer zwei Personen: den Fotografen und den Betrachter“

Ansel Adams

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