Oder warum unspektakuläre Fotos die wichtigsten sein können

Heute war ich mit der digitalen Kamera im heimischen Wald unterwegs. Wenn man auf den Kalender blickt, erwartet man Anfang Juni eigentlich strahlenden Sonnenschein, doch das Wetter hatte heute andere Pläne. Ein feuchter Dunstschleier lag in der Luft, und immer wieder fielen vereinzelte Regentropfen vom Himmel – eher ein Tag, der an den frühen Herbst erinnert als an den Beginn des Sommers.
Durch diese besondere Atmosphäre war es aber auch herrlich still. Bis auf ein paar Leute, die mit ihren Hunden spazieren gingen, war kaum jemand unterwegs, und der Wald lag in tiefer Ruhe. So schlenderte auch ich dahin; ein bisschen aus Gewohnheit, ein bisschen aus Neugierde darauf, was der Wald an solch einem Tag wohl preisgeben würde.
Das Ergebnis? Auf den ersten Blick nichts Besonderes. Keine dramatischen Lichtstimmungen, keine seltenen Tiere. Nur ein paar Bilder aus dem Wald, eine stille Dokumentation meines Spaziergangs. Und doch ist es genau das, was ein Foto im Kern ausmacht, oder nicht? Es ist eine Erinnerung an eine vergangene Zeit, eine konservierte Sekunde.
Manchmal habe ich das Gefühl, es ist vor allem die ältere Generation, die uns den Wert dieser Zeitkapseln vorlebt, wenn sie alte Fotoalben durchblättert und in Erinnerungen an das schwelgt, was vergangen ist und nicht wiederkommt. Wo die Erinnerung im Gedächtnis längst zu einem vagen Gefühl verblasst ist, holt uns das gedruckte oder gespeicherte Bild mit erstaunlicher Kraft zurück an den Moment. Eine Kamera ist daher tatsächlich eine kleine Zeitreisemaschine. Sie hält eine Szene fest und macht es möglich, die Welt so zu sehen, wie sie in jenem Augenblick war.
Das reicht vom Protokollieren des Aufwachsens eines Kindes bis hin zu ein paar Schnappschüssen bei einem Spaziergang im Wald. Es müssen nicht immer die großen, monumentalen Ereignisse sein, an die man sich noch in Jahrzehnten erinnern möchte. Das ist auch gar nicht der Anspruch der alltäglichen Fotografie. Und doch liegt ein unschätzbarer Wert darin, sich später mithilfe dieser Bilder auch an die kleinen, leisen Alltagsmomente zu erinnern – an das Gefühl eines ruhigen Nachmittags, den Geruch des feuchten Waldbodens und die besondere Stille eines verregneten Junitages.
“Genieße die kleinen Dinge, denn eines Tages wirst du zurückblicken und feststellen, dass sie die großen Dinge waren.”
Robert Brault






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