
Das Waldbild dieser Woche knüpft thematisch eigentlich ganz gut an den Beitrag der vergangenen Woche an. Aufgenommen habe ich es wieder analog auf Kodak ColorPlus mit meiner Leica MP im Wald ganz in der Nähe. Die Herausforderung momentan: Den frühen Sonnenaufgang zu erwischen. Da die Sonne jetzt schon sehr zeitig aufgeht und ich am Wochenende nicht unbedingt zu den Frühaufstehern gehöre, ist das gar nicht so einfach. Das Licht war aber auch etwas später noch wunderschön, wie ich finde.
Beim Betrachten des Fotos musste ich an das japanische Konzept Wabi-Sabi denken. Es beschreibt eine Ästhetik, die Schönheit im Unvollkommenen, Unbeständigen und Bescheidenen findet. Wabi-Sabi lehrt uns, den Wert von Imperfektionen, Patina und den Spuren des Gebrauchs zu schätzen, statt nur nach makelloser Perfektion zu streben.
Das passt, wie ich finde, ziemlich gut zu diesem Bild. Es ist nicht gestochen scharf, sondern hat eher einen weichen, leicht verwaschenen Look. Dazu gesellen sich die auffälligen Lensflares – diese Lichtreflexionen im Objektiv. Solche Flares entstehen, wenn Lichtquellen (oft die Sonne) direkt oder schräg auf die Linsenelemente treffen und dort mehrfach reflektiert werden. Moderne Objektive sind durch Vergütungen und spezielle Linsenkonstruktionen (z. B. asphärische Linsen) darauf optimiert, diese Effekte zu minimieren.
Gerade bei älteren Objektiven, wie dem hier verwendeten Summilux 35, treten sie aber oft stärker hervor. Für mich sind solche „Bildfehler“ keine Mängel, sondern besondere Merkmale – Eyecatcher, gerade weil sie in der heutigen, oft auf technische Perfektion getrimmten Fotografie seltener geworden sind.
Natürlich ist das alles Geschmackssache und die Wahrnehmung von Ästhetik immer subjektiv. Mir persönlich gefällt dieser Look aber sehr gut und ich schätze den Charakter, den dieses Vintage-Objektiv dem Foto verleiht. Es erzeugt eine Stimmung, die mit moderner, auf Makellosigkeit optimierter Technik so vielleicht nicht entstanden wäre.
(Okay, zugegeben – mit KI ließe sich so ein Look vermutlich inzwischen auch generieren 😉. Aber wo bliebe dann der ganze Spaß am analogen Prozess und am Unerwarteten?)
„Wir finden Schönheit nicht in der Sache selbst, sondern in den Mustern der Schatten, dem Licht und der Dunkelheit, die eines gegen das andere erzeugt.“
Jun’ichirō Tanizaki
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